Ein paar Tipps für die ultimative Herausforderung: Deinen ersten Marathon
Hier sind ein paar Erfahrungen aus vielen Jahren auf dieser Laufdistanz
Du läufst schon eine Weile und planst nun deinen ersten Marathon? Mit einem etwas mulmigen Gefühl in der Magengegend? Man hört ja so viel, was da alles passieren kann... Vermutlich kann (fast) jeder einen Marathon laufen, wenn er/sie diese persönliche Herausforderung gut vorbereitet angeht. Damit dieses Unterfangen nicht unnötig schwierig wird, sind hier ein paar Gedanken, mit denen du die klassischen Anfängerfehler vermeidest.
Einige dieser Tipps habe ich selbst irgendwo aufgeschnappt, einige aus eigener Erfahrung (mühsam und teilweise schmerzhaft) gelernt. Einige der Tipps, die ich so gelesen oder gehört hatte, funktionierten bei mir nicht. Was geht und nützt, kann man letztendlich nur durch ausprobieren feststellen. Und das gilt auch für diese Liste. Aber sie kann hoffentlich helfen, die gröbsten Schnitzer zu vermeiden, die dich evtl. zur Aufgabe zwingen können.
Die wichtigste Regel ist also: Vor dem ersten Marathon sollte man alles ausprobiert haben (mit Ausnahme der kompletten Distanz). Der erste M eignet sich nicht für Experimente. Also auch bei Ratschlägen (diese Liste eingeschlossen) nur das übernehmen was du ausprobiert und für dich für gut befunden hast.
Training: Den Trainingsplan zumindest im letzten Drittel möglichst genau einhalten. Es geht um das Wechselspiel verschiedener Belastungen und der geplanten Pausen. Ausgefallene Trainingsläufe nicht nachholen. Wichtig sind vor allem die langen Läufe vor dem ersten M und die Ruhepausen.
no gos: kein Start wenn man krank ist (leichter Schnupfen stört nicht) oder gerade eine heftige Krankheit hinter sich hat, und nicht trainieren konnte. Für den M braucht man ein stabiles Immunsystem, da die Belastung die Immunabwehr beeinträchtigt. Keine Medikamente (vor allem keine Schmerzmittel „Doping des kleinen Mannes“). Wenn wirklich etwas nicht stimmt, merkst du es sonst nicht, was wirklich gefährlich werden kann.
Kleidung: Funktionsklamotten (klar, was sonst), je nach Temperatur mehrere dünne Schichten übereinander. Auch die Unterhose aus Funktionsmaterial (sog. Laufunterhose). Ein gut sitzender Sport-BH sollte für Läuferinnen selbstverständlich sein. Bei der Hose sind tights bewährt (liegen eng an und verhindern unnötige Reibung). Nicht zu viel anziehen. Wenn man beim Start leicht friert, ist es richtig. Laufsocken sind ein Muss. Über Kompressionsstrümpfe kann man viel lesen. Für den Anfang lohnt sich die Anschaffung sicher nicht. Die Socken sollten nicht frisch gewaschen sein. Falls es wirklich zu kalt ist, kann eine dünne Jacke helfen, die man später auszieht und sich um den Bauch knotet (Mädchenmethode). Das geht nur mit Startnummernband (sowieso zu empfehlen, man erspart sich das Gefummel mit den Sicherheitsnadeln).
Im Sommer reicht für oben normalerweise ein Kurzarmshirt. Vorsicht mit ärmellosen „Muscle shirts“, wegen Reibung der Arme am Oberkörper.
Sonnenschutz: je nach Wetter Faktor 30 auf alle Teile, die Sonne abkriegen können (einschl. der Ohren).
Schuhe: Gut eingelaufen (mindestens 200km sollten sie schon unterwegs gewesen sein). Schuhe, egal wie dreckig sie sind, nicht in der Waschmaschine waschen. Kann man zwar machen, aber erst, wenn man sie nicht mehr als Laufschuhe im Einsatz hat.
Keine ausgelatschten Treter für den ersten M. Die Schuhe müssen in erstklassigem Zustand sein. Immer mit Doppelknoten binden. Aufgehende Einfachknoten sind unterwegs eine überflüssige Überraschung.
Die Schuhe müssen Platz für die Zehen haben. Über die M-Strecke senkt sich das Fußgewölbe, was den Fuß leicht zwei bis drei cm verlängern kann. Wenn dann kein Platz ist, gibt es blaue Zehen und später abgefallene Fußnägel. Vorsicht mit Einlagen, die das Fußgewölbe stützen. Der Druck darauf kann unangenehm werden.
Abkleben: mit Leukoplast für die (männlichen) Brustwarzen. Bei einem M kann man sich leicht die Brust blutig scheuern, nicht besonders schmerzhaft, sieht aber bescheuert aus. An den Zehen die Stellen, die anfällig für Blasen sind (normalerweise kleiner Zeh und der vorstehende zweite Zeh).
Toilettentraining: Ausprobieren, was nötig ist um den Darm ausreichend zu leeren. Während eines M sollte man keine Toilette brauchen. Manchmal hilft ein Schluck warmer Apfelsaft oder warmes Wasser oder ein paar Bauchmuskelübungen um den Darm in Gang zu bringen. Das muss vor dem M zuverlässig klappen.
Ernährung: In der Vorbereitungszeit reicht normale Vollwertkost aus. Nahrungsergänzungsmittel oder spezielle Sportdiät braucht man nicht. Nach besonders anstrengenden Trainingsläufen (langer Lauf, Intervalle) kann Magnesium sinnvoll sein (ausprobieren!). Iso-Getränke sind hauptsächlich Zucker und entbehrlich. Auf jeden Fall erst nach dem Lauf trinken.
Essen vor einem Trainingslauf: nicht erforderlich. Es sei denn der Magen knurrt sehr, dann irgend eine Kleinigkeit, die nicht füllt. Vor Morgenläufen nicht frühstücken. Nur trinken (Wasser, Tee, Kaffee – kein Iso, keine Milch).
Nach einem Trainingslauf: vor allem nach langen Läufen, bei denen es um die Fettverbrennung geht, möglichst ein oder zwei Stunden warten bis zum Essen.
Vor dem M: Am Tag vorher geht nichts über Nudeln mit Tomatensoße (Käsesoße ist schwerer verdaulich). Am Start sollte alles verdaut sein. Also keine Ballaststoffe (Gemüse) mehr. In den Tagen vor dem Start kein Alkohol mehr.
Vorsicht mit Lieblingsgerichten, die unter Belastung evtl. zu Durchfall oder Übelkeit führen. Ausprobieren was geht und sich dann genau dran halten.
Am Morgen des M: etwa drei Stunden vorher ein leicht verdauliches Frühstück. Bei mir hat sich Weißbrottoast (rühre ich sonst nicht an) mit Marmelade / Honig bewährt. Am Start sollte nichts mehr belasten. Viel trinken (Wasser, Tee – Nichts gezuckertes).
Kurz vor dem Start: essen manche noch schnell einen Müsliriegel. Wohl mehr zur Beruhigung. Ausprobieren.
Beim M: Vorsicht mit dem Essen an der Streckenverpflegung. Sind jedes Mal andere Sachen, die vielleicht lecker aussehen, bei denen man aber nicht weiß, wie man unter Belastung darauf reagiert. Bei mir bewährt haben sich im Trikot verstaute Power Gels (alle 45 Minuten eines, 4 Stück insgesamt, in der ersten Hälfte ohne Koffein, in der zweiten Hälfte mit). Gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Ausprobieren, was schmeckt und sich unter Belastung bewährt. Auch ausprobieren ob man unter Belastung kauen kann oder sich dabei sofort verschluckt. Besser den Nahrungsbedarf mitnehmen als von der Streckenverpflegung aufnehmen. Bananen unterwegs setzt der Körper so langsam um, dass man erst im Ziel etwas davon hat. Vorsicht mit Traubenzucker (putscht auf, verfliegt aber auch bald wieder).
Bei M unterwegs trinken: Getränke mitnehmen lohnt nicht (Gewicht und es gibt unterwegs genug). Vorher ausprobieren, was man unter Belastung verträgt und auch nur das nehmen. Bei mir bewährt: bis zum HM nur Wasser (wenn es kalt ist evtl. warmer Tee), danach bis km 35 Wasser und Iso mischen (Iso allein ist häufig pappig süß). Zwei Becher aufnehmen, zusammenschütten und dann trinken. Ab km 35 Cola mit Wasser mischen. Cola mit Zucker und Koffein bringt dich über die letzten km (nicht vorher nehmen, auch wenn es angeboten wird, da es aufputschend wirkt und die Wirkung sonst vor dem Ziel schon verflogen sein kann.). Wenn es keine Cola gibt, bei der Iso Mischung bleiben.
Die Trinktechnik vorher üben: Becher eng über das Gesicht stülpen (geht nur mit Pappbechern) und beim trinken weiterlaufen. Möglichst nicht stehen bleiben (kostet Zeit und der Anlauf wird immer schwieriger). Wenn es irgendwie geht, den Laufrhythmus beibehalten. Ein bisschen wird immer verkleckert, macht nichts. Auch an der letzten Station vor dem Ziel (Km 40?) noch trinken.
Unterwegs nicht zu viel trinken. Die Blase sollte sich nicht füllen. Aber auch nicht warten, bis die Zunge am Gaumen klebt.
Die Nacht vorher: früh ins Bett, da man sowieso früh aufwacht. Nichts aufregendes mehr.
Anfahrt zum Start: Genügend Zeit mitbringen (mindestens eine Stunde vor dem Start da sein), in Ruhe Startunterlagen abholen und sich noch in einer ruhigen Ecke etwas besinnen. Füße abkleben, Chip befestigen, Schuhe eng schnüren. Wenn es geht, sich nicht von der allgemeinen Nervosität anstecken lassen. Locker bleiben. Alternativ kann man die Startunterlagen auch schon am Tag vorher abholen. Das entspannt.
Warmlaufen vor dem Start: brauchst du nicht. Die Strecke ist lang genug zum aufwärmen. Sinnvoll: Fußkreisen und die Fußgelenke im Stand beweglich machen.
Start: In der Startaufstellung richtig einsortieren, etwa da, wo auch die anderen mit der gleichen Zielzeit stehen (z.B. in der Nähe des richtigen Zugläufers). Sonst ruhig fragen. Zu weit vorne ist man selber Hindernis, zu weit hinten sind langsamere Läufer im Weg.
Wenn sich nach dem Startschuss nichts tut und der Tross erst langsam in die Gänge kommt: kein Problem, die Zeit zählt erst ab der Startmatte. Spätestens ab da läuft man auch.
Möglichst nicht in der Mitte der Strecke laufen, sondern eher am Rand. Da ist etwas weniger Gewühl. Kein Zickzacklauf um langsamere Läufer herum, das kostet viel Kraft, die hinterher fehlt. Man muss nicht jede Lücke nutzen. Die Zeit ist nicht das Wichtigste.
Tempo beim ersten M: Die meisten Anfänger laufen zu schnell los und kommen dann später in Probleme. Auf den ersten km auf keinen Fall überziehen. Das rächt sich später. Also besser einen Zugläufer (z.B. für 4:30h) suchen (sind häufig an Ballons mit aufgeschriebener Zeit zu erkennen) und dabei bleiben. Zugläufer laufen ganz gleichmäßig (meistens auch an den Verpflegungspunkten weiter). Nur wenn du dich auf den letzten km (so ab km 35 aufwärts) noch sehr gut fühlst, kannst du dich nach vorne absetzen. Wenn der Zugläufer zu schnell sein sollte: zurückfallen lassen und dein eigenes Tempo laufen. Die Gesamtzeit ist beim ersten Mal wirklich egal, also nicht auf 4 Stunden aus sein. Das geht zu leicht schief.
Mit Zugläufer zu laufen bringt einen auch gleich in eine Gruppe von etwa gleich starken Läufern. Nette Unterhaltung zeigt, dass man nicht am Anschlag läuft (dann wäre die Gruppe zu schnell) und lässt die Zeit leichter vergehen.
Beim ersten M nicht nach Puls laufen (der spielt wegen der Aufregung sowieso verrückt), sondern nach dem vorher geplanten Tempo. Falls der Puls am Ende des Trainings immer noch zu hoch ist: Die zweite Hälfte etwas langsamer laufen, da der Puls über die Strecke etwas ansteigt.
Durch die vielen anderen Läufer, die mit Pulsgurt unterwegs sind, zeigen manche Pulsuhren auch viel zu hohe Werte (weil sie die Signale der Nachbarn mitzählen).
Atmung: Nicht zu hastig atmen, keinfalls ins hecheln kommen. Möglichst tief und langsam atmen. Bewusst ausatmen, mit Druck durch Lippenspalt. Das schafft Platz in der Lunge für neuen Sauerstoff. Einatmen geht von alleine. Richtige Atmung reduziert die gefühlte Belastung (Puls, Blutdruck)!
Musik: nichts mitnehmen, sondern die Geräuschkulisse genießen (Sambabands, Laufmusik des Veranstalters, Bands an der Strecke, Zuschauer, die den Namen rufen usw).
Mann mit dem Hammer: kann, aber muss nicht kommen. Gut vorbereitet und verpflegt bleibt der Einbruch aus, den viele bei km 33 – 35 haben. Ansonsten rechne damit, dass der Körper dann aufhören will und im inneren Monolog der Wunsch aufzuhören immer stärker wird. In diesem Punkt beginnt der Marathon! Wenn jetzt die Motivation nicht stimmt (Warum mache ich das überhaupt?) wird es eng. Ab hier muss der Kopf bestimmen, dass es weiter geht. Falls laufen nicht mehr geht, weitergehen, aber nicht aussteigen. Nach einigen Metern kann man meist wieder langsam weiter traben. Das geht in dieser Phase ganz vielen so. Beißen! Eine Aufgabe kriegst du nicht mehr aus dem Kopf. Abgesehen von der Schmach, wenn Alle von dem M wissen.
Km Schilder: kein Countdown (zumindest nicht solange man noch zweistellig ist). Besser sich freuen an den km, die man schon geschafft hat.
Im Ziel: falls man nahezu am Ende seiner Kräfte ist, vor dem Ziel etwas abbremsen und sich etwas erholen. Auf die paar Sekunden kommt es nicht an, aber man kann den Zieleinlauf bewusster genießen (und sieht auf dem Zielfoto deutlich besser aus). Sieht auch bei den wartenden Angehörigen besser aus. Sie sollen schließlich stolz sein und nicht sofort nach den Notarzt rufen.
Im Ziel die Arme hochreißen – es ist geschafft. Alle Emotionen sind ok. Ich habe hier erwachsene Männer weinen sehen. Dies ist dein Moment. Genieße ihn!
Nicht stehenbleiben und sich erst recht nicht setzen oder gar hinlegen. Langsam gehen, bis der Körper wieder herunterkommt.
Bei Bedarf etwas überziehen, weil man jetzt schnell auskühlen kann. Und trinken, trinken, trinken. Die Zielverpflegung genießen. Jetzt gibt es keine Rücksichten mehr.
Dehnen: nicht nach einem anstrengendem Wettkampf. Dazu gab es nach Trainingsläufen genügend Gelegenheiten.
Muskelkater: kommt garantiert und ist eine ehrlich erworbene Trophäe. Gehört ausgekostet und nicht bejammert.
Alles klar? Jetzt musst du dir nur noch einen geeigneten Lauf aussuchen und dich anmelden. Für das erste Mal nimm besser einen flachen Stadtmarathon mit vielen Zuschauern an der Strecke. Landschaftsläufe sind für später. Viel Erfolg!
(Helmut Steinke)